Versorgungsstrukturen patientenorientiert gestalten
WOLGAST
Von geschlossenen Klinikstationen, einer pädiatrischen Praxisklinik und der Suche nach einer dauerhaften Lösung
Entwicklungsgeschichte
Die Stufen der Veränderung in Wolgast
Das Ausgangsproblem
Im Krankenhaus in Wolgast wurde zunächst die Gynäkologie und Geburtshilfe geschlossen, nur wenige Monate später auch die Kinderstation. Wut, Frust und Proteste der Bevölkerung waren die Folge.
Die zeitlich befristete Zwischenlösung
Einrichtung einer Kinderportalpraxisklinik als Pilotprojekt: In dieser pädiatrischen Gemeinschaftspraxis können Kinder an jedem Tag der Woche von morgens bis abends ambulant behandelt werden, einige Stunden zur Beobachtung bleiben oder für eine längere stationäre Behandlung nach Greifswald gebracht werden.
Wie es zum Pilotprojekt kam
Treibende Kräfte für diese Entwicklung waren die nicht nachlassenden Proteste der Bevölkerung, das Erstarken extremer politischer Kräfte bei den Landtagswahlen und vielleicht auch die Erkenntnis, mit der Schließung der Kinderstation eine Versorgungslücke für Wolgast und Usedom gerissen zu haben: Es kam Bewegung in die Sache. Ein weiteres Argument waren die jährlich eine Million Usedom-Touristen, darunter 200.000 Kinder. So wurde als Pilotprojekt am Kreiskrankenhaus Wolgast eine pädiatrische Portalklinik eingerichtet.
Das Ende des Pilotprojekts
Nach Ablauf der Modellphase der Kinderportalpraxisklinik wurde entschieden, diese Struktur nicht weiter zu betreiben. Für die geringe Nachfrage war die Kinderportalklinik zu teuer.
Die neue Lösung
Honorarärzte werden an Wochenenden und Feiertagen weiterhin eine ambulante Sprechstunde anbieten – in der Notaufnahme. Was wegfällt, sind die Zeiten zwischen Praxisschluss und 21 Uhr unter der Woche und die tagesklinischen Betten. Ein Kompromiss, mit dem auch die Bürgerinitiative leben kann.
Über Wolgast
Eine Kleinstadt vor (und auf) der Insel Usedom
Wolgast ist eine Kleinstadt und wird dem ländlichen Raum zugerechnet. Das Durchschnittsalter aller Personen in der Kommune beträgt 47,9 Jahre, bundesweit liegt es bei 44,7 Jahren. Die Bevölkerungszahl hat seit dem Jahr 2011 um 4,9 % abgenommen, bundesweit hat sie seitdem um 3,6 % zugenommen. Die über die letzten 4 Jahre gemittelten Steuereinnahmen der Kommune betragen im Jahr 2021 im Durchschnitt 808 Euro pro Einwohner, bundesweit lagen sie bei 1.443 Euro pro Person.
Wolgast gehört zum Landkreis Vorpommern-Greifswald. Im Landkreis leben rund 235.500 Einwohner auf einer Fläche von 3945,66 km2; das ergibt eine Bevölkerung von 60 Personen je km2.
Die größte Kommune des Kreises ist die ca. 30 km von Wolgast entfernte Stadt Greifswald mit ca. 59.000 Einwohnern.
Alle Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2021. Quellen: wegweiser-kommune.de, destatis.de, Ausführliche Hinweise zu den Quellen finden Sie auf der Seite zur Datengrundlage.
In Mecklenburg-Vorpommern
ca. 12.000 Einwohner
61,73 km²
Reportage
Die Wut von Wolgast – und warum der Weg beim Gehen entsteht
In Wolgast gab es jahrelangen Widerstand gegen die Schließung der Gynäkologie- und Geburtshilfe sowie der Kinderstation im örtlichen Krankenhaus. Der endete auch nicht, als die Politik zumindest für die Kinder eine kleine Lösung schuf. Inzwischen ist das Modellpilotprojekt schon wieder Geschichte – aber die Region trotzdem einigermaßen befriedet. Denn beim zweiten Mal hat die Politik vieles anders gemacht – und sich erklärt.
01: Ein schwieriger Weg – er hätte leichter sein können
Jahre voller Auseinandersetzung und Frustration
Weiterentwicklung des Vorhabens
Wir begleiten den Transformationsprozess in verschiedenen Regionen Deutschlands kontinuierlich.
So erhalten wir tiefere Einblicke in den Wandel des Gesundheitssystems vor Ort und können Prozessschritte im Zeitverlauf abbilden.
Warten auf die große Reform
Im Kreiskrankenhaus Wolgast wurde kürzlich der Bauantrag für die neue Notaufnahme gestellt. Gedanken machen der Klinikleitung allerdings die Pläne der Bundesregierung zur Krankenhausreform, besonders die darin vorgesehene Einordnung des Leistungsspektrums in Leistungsgruppen. Denn künftig dürfen Kliniken Leistungen nur noch erbringen, wenn Sie Mindeststandards hinsichtlich technischer Ausstattung sowie des fachärztlichen und pflegerischen Personals erfüllen. Wird dabei ausreichend berücksichtigt werden, dass das dünn besiedelte Mecklenburg-Vorpommern schon jetzt die geringste Kranhausdichte aller Bundesländer hat? Wie sollen Bevölkerung und Touristen künftig versorgt werden? Und wie lässt sich mit dieser ungewissen Perspektive planen und Personal gewinnen? In Wolgast hofft man auf schnelle Antworten aus Berlin.
Warten auf die große Reform
490 Mahnwachen in neun Jahren: Ende Juli hat die Bürgerinitiative (BI) zum Erhalt des Kreiskrankenhauses Wolgast die letzte Mahnwache vor der Klinik abgehalten und sich aufgelöst. Es fehlte an Nachwuchs.
Das reduzierte Angebot der Kinder-Portalpraxisklinik wird weiterhin auf niedrigem Niveau genutzt. Ausgebaut wurde hingegen der Schwerpunkt Altersmedizin: Für eine großangelegte Gesundheitsstudie der Universitätsmedizin Greifswald wurde in Wolgast gerade ein geriatrisches Untersuchungszentrum eingerichtet sowie ein neuer Standort der Landesfachstelle für Wohn- und Digitalisierungsberatung. Sie soll vor allem ältere Menschen und Menschen mit Handicap unterstützen.
Warten auf die große Reform
Wir verfolgen die Transformationsprozesse in den Regionen kontinuierlich. Weitere Aktualisierungen zu Wandel veröffentlichen wir künftig quartalsweise.
Interview
„Zu einer guten Kommunikation gehört auch Ehrlichkeit“
Interview mit Dr. Maria Zach, Chefärztin und Ärztliche Direktorin und Carsten Köhler, Geschäftsführer des Kreiskrankenhauses Wolgast
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